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Das India Youth Network und der Kampf gegen den Plastikmüll

Interview mit Sanjana (23) aus Delhi über das Internationale Jugendnetzwerk von terre des hommes, die Arbeit im Delhi Youth Network und ihren Einsatz gegen die Umweltverschmutzung in der indischen Hauptstadt.

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Hallo Sanjana, schön, dass du bei uns bist! Würdest du dich kurz vorstellen?

Klar: Ich bin Sanjana, 23 Jahre alt, aus Delhi, Indien. Ich bin Mitglied des Delhi Youth Networks und des terre des hommes-Jugendredaktionsteams - einer internationalen Gruppe, die unsere Inhalte über soziale Medien und andere Kanäle verbreitet. Ich studiere momentan: Nach einem Bachelor in Politikwissenschaften mache ich gerade meinen Master in Sozialer Arbeit.
 

Du bist nun schon seit einigen Jahren Mitglied des International Youth Networks. Was genau ist das »IYN«?

Das International Youth Network ist eine gemeinsame Plattform für eine Gruppe von großartigen, engagierten Jugendlichen aus verschiedenen Teilen der Welt – Afrika, Europa, Lateinamerika, Süd- und Südostasien –, die sich rund um die Uhr für eine gemeinsame Sache stark machen: unseren Planeten. Die meisten von uns sind zwischen 17 und 25 Jahre alt. Im Jugendnetzwerk tauschen wir Erfahrungen, Wissen und Projektideen aus.
 

Wie ging alles für dich los? Was hat dich motiviert, mitzumachen?

Es gibt ziemlich viele Gründe. Einer davon: Als ich noch klein war, hat mich oft das Zwitschern von Spatzen geweckt. Heute sind sie fast verschwunden. Wenn man jetzt morgens überhaupt Vögel zwitschern hört, ist das schon ein Segen. Sie wurden durch Urbanisierung und die Umweltverschmutzung vertrieben.

Ein zweites Beispiel: In Delhi ist der Fluss Yamuna unsere Hauptwasserquelle. Aber dieser Fluss wird immer stärker verschmutzt und verunreinigt. Im Delhi Youth Network führen wir deshalb gerade eine Kampagne durch, »Delhi Teri Yamuna Maily« [»Delhi, deine Yamuna ist verschmutzt«]. Unsere Botschaft: Es ist euer Fluss. Und ihr seid diejenigen, die das hier verursachen! Der Kampf gegen die Flussverschmutzung hat mich überhaupt erst mit dem Delhi Youth Network in Kontakt gebracht.

Das Jugendnetzwerk hat in Indien passenderweise einen Zweitnamen: »Youth for Ecological Sustainability« – »Jugend für ökologische Nachhaltigkeit«. Dann ist der Kampf gegen die Umweltverschmutzung euer Hauptziel? 

Im India Youth Network haben wir generell versucht, uns auf bestimmte SDGs [Sustainable Development Goals; die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen] zu konzentrieren, um darin konkret so viel wie möglich zu erreichen. Dann haben wir unsere SDG-Prioritäten nach Regionen aufgeteilt. Denn Indien ist natürlich enorm vielfältig, es gibt unterschiedliche Themen.  

In Delhi liegt unser Hauptaugenmerk auf SDG 13 und damit auf Klima und Umwelt. Denn wir glauben, dass eine gesunde Umwelt etwas ist, für das wir uns aktiv engagieren müssen. Ohne gesunde Umwelt können wir nicht existieren. Deshalb kämpfen wir gegen Umweltverschmutzung. In der Luft, im Boden und im Wasser.  
 

Im November fand gerade erst der globale Aktionsmonat des IYN statt. Das Motto: »We stand with young voices to save the environment«. In Delhi seid ihr auch aktiv geworden …

Generell ist der November für mich und für viele in Delhi ein Monat des Feierns. Aber die Feste tragen auch sehr stark zur Umweltverschmutzung bei, nicht zuletzt, weil sehr oft Feuerwerkskörper gezündet werden. Wir als Jugendgruppe machen das genaue Gegenteil. Wir versuchen, die Umwelt zu schützen.

Dieses Jahr zum Beispiel war auch Diwali, eines unserer größten Feste, im November. Also haben wir eine Social-Media-Kampagne gestartet, in der wir die Leute gebeten haben, nicht so viele Feuerwerkskörper abzubrennen. Und wir versuchen immer, uns an höhere Behörden zu wenden.
 

Welche Aktionen und Projekte habt ihr darüber hinaus?

Praktisch jeden Monat starten wir Cleanness Drives – mobile Aufräumaktionen, bei denen wir zum Beispiel Parks säubern. Die letzte war bereits unsere dreiundzwanzigste! Wir pflanzen Bäume. Und wir versuchen, »Kitchen Gardning« zu verbreiten – den Anbau von gesundem Gemüse in der eigenen Küche. Nicht zuletzt führen wir natürlich viele Kampagnen in den sozialen Medien durch, um das Bewusstsein für all diese Themen zu schärfen.
 

Gab es für dich bereits erste Erfolge oder Meilensteine in euren Projekten?

Klar! Vor allem einen möchte ich besonders hervorheben. Ein Recycling-Projekt, eine Idee, die wir von einigen unserer Kollegen des Jugendnetzwerks in Sambia übernommen haben - Trash4Cash.

In Delhi konzentrieren wir uns auf Milchpackungen. Warum Milch? Indien ist inzwischen das bevölkerungsreichste Land der Welt. Und kein Land der Welt produziert annähernd so viel Milch. Delhi ist bei weitem die bevölkerungsreichste Stadt, daher werden hier die meisten Milchpackungen verwendet. 

Milchpackungen bestehen aus einem Kunststoff, der eigentlich leicht zu recyceln ist. Aber wenn man nach Delhi fährt, sieht man dort stattdessen drei wunderschöne… riesige Müllberge. Der gesamte Abfall landet dort. Wohin also mit all den Milchpackungen und all dem Plastik? Unsere Initiative ist: Wir versuchen, die Milchpackungen in unseren Bezirken zu sammeln, damit sie nicht in diese Müllberge gelangen.

Wie habt ihr von dem Trash4Cash-Projekt in Sambia erfahren?

Im Jugendredaktionsteam. Als wir dort über das Trash4Cash-Projekt des sambischen Netzwerks berichteten, fand ich das sofort inspirierend. Ich dachte, dass ich vielleicht etwas ähnliches tun sollte, zumindest wollte ich ein Posting oder einen Beitrag über die Milchpackungen schreiben. Und das habe ich dann auch gemacht.

Kurz darauf bekam ich unfassbar viele Antworten. Und fast einen Monat lang ununterbrochen Anrufe. Da ich nie mit einem meiner Kolleg*innen in Delhi darüber gesprochen hatte, stapelten sich dann alle Milchpakete aus verschiedenen Teilen des Landes bei mir zuhause. Erst da habe ich sozusagen um Hilfe gerufen und die Kolleg*innen haben glücklicherweise sofort gesagt: »Aber sicher, wir sind dabei. Du kannst unsere Telefonnummern teilen.« So haben wir dann angefangen, die Pakete unter uns zu verteilen.

Wir schicken alles anschließend an ein Recycling-Unternehmen, das uns 12,00 Rupien [ca. 13 Cent] pro Kilo gibt. Für ein Kilo braucht man 100 bis 120 Milchpackungen. Das Projekt befindet sich noch in einem frühen Stadium, aber wir hoffen, dass es in Zukunft mehr Möglichkeiten für Jugendliche geben wird. Vielleicht sogar, um dort zu arbeiten.
 

Hat das Jugendnetzwerk euch bei der Umsetzung helfen können?

Vorweg, was mir am Jugendnetzwerk besonders gefällt: Es sind tatsächlich wir Jugendlichen, die die Ideen einbringen. Wir besprechen sie untereinander, können uns aber dann an die Fachleute von terre des hommes wenden, wenn es nötig ist. Die warnen uns dann vor den Folgen, geben Vorsichtsmaßnahmen mit und so weiter. Das ist auch nötig, denn hier in Delhi sind wir gerade wirklich außer Kontrolle geraten [lacht]. Die Resonanz auf das Milchpackungsprojekt war einfach gewaltiger, als wir es uns je hätten vorstellen können.

Für unsere Regionalthemen haben wir Miss Pragya, eine Mitarbeiterin von terre des hommes in Delhi. Sie ist wirklich wie eine Mutter für uns: Egal, welche Ideen wir haben, sie ist immer da und hilft uns über den gesamten Prozess.

Aber letztendlich liegt die Entscheidung immer bei uns. Wir haben freie Hand, welche Ideen wir umsetzen und was wir tun wollen.

 

Welche Ideen oder Erfahrungen nimmst du persönlich daraus mit? Was sind deine Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft?

Persönlich würde ich auch in Zukunft gerne mit Jugendlichen arbeiten. Denn so wie ich es erlebe, ist das immer sehr, sehr dynamisch und eine Arbeit voller Energie. Für die Dinge, wir für die Welt erreichen wollen, braucht man viel Geduld. Und als Jugendliche... unsere Mentalität ist praktisch genau andersherum: Wir wollen sehr schnell Ergebnisse sehen.

Die Mitgliedschaft im Jugendnetzwerk endet normalerweise, wenn man 25 wird. Aber selbst mit 27 werde ich das Netzwerk wohl nicht ganz hinter mir lassen. Ich werde versuchen, eine Mentorin zu werden und mit den Erfahrungen zu helfen, die wir gerade machen.

Wenn ich sehe, wie sich Menschen wie Miss Pragya für Jugendliche einsetzen… Ich denke, wenn sie ihre Hoffnung nicht verloren haben, warum sollte ich oder warum sollten wir? Und wenn wir unsere Erfolge feiern, wie bei den Milchpackungen, dann sieht man, dass sich Dinge manchmal auch sehr schnell ändern können.

Das ist wahrscheinlich das Wichtigste für mich. Wenn ich eines sagen kann: Ich möchte wirklich, dass jede*r Einzelne niemals seine Hoffnung verliert!


27.12.23

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